Die Macht der Bilder

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, lautet ein Sprichwort. Ich halte das für sehr zutreffend.

Wir befinden uns gerade im sogenannten digitalen Zeitalter, in welchem die Nullen und Einsen das Sagen haben. Dennoch arbeiten unsere Sinne und unser Gehirn analog, was bedeutet, dass wir Zusammenhängendes sehen oder hören. Wenn wir Musik hören, denken wir dabei nicht an die einzelnen Noten, sondern nehmen die Melodie – den Zusammenhang – wahr.

Natürlich gilt das auch für Bilder, um die es in diesem Artikel geht. Schauen Sie sich beispielsweise ein Gemälde eines von Monets Gärten an. Natürlich werden Ihre Augen die einzelnen Farben und die Pinselstriche sehen, aber Ihr Gehirn wird sie sofort zu einem Garten zusammensetzen.

Die Macht der Bilder besteht also darin, dass sie die Idee ihres Schöpfers vermitteln. Selbst wenn Sie sich mit Kunst auskennen, werden sie sich erst in einem zweiten Schritt Gedanken über Material, Technik, Stil oder Alter machen.

Aus diesem Grund sind Bilder in Marketing und Werbung unerlässlich. Wir verstehen sie schneller als jede andere Mittelung und sie ziehen buchstäblich alle Blicke auf sich.

Bild-Typen

Ich glaube, dass es mindestens vier verschiedene Bildarten gibt, zu denen wir unterschiedliche Verhältnisse haben.

Gemälde

Millionen von Gemälden werden in Museen in aller Welt ausgestellt. Einige davon sind so berühmt, dass jeder sie kennt und weiss, dass sie von unschätzbarem Wert sind. Dazu würde ich die „Mona Lisa“ ebenso zählen wie Botticellis „Geburt der Venus“, Rembrandts „Nachtwache“ oder die bereits erwähnten Gärten und Seerosen, die uns Claude Monet hinterlassen hat.

Diese Bilder sind der Stolz jedes Museums und gleichzeitig das beste Werbemittel. Allein ihre Berühmtheit garantiert eine gewisse Besucherzahl.

Ist es nicht so, dass es sozusagen zum guten Ton gehört, die zehn berühmtesten Gemälde zu kennen und am besten auch noch im Original gesehen zu haben? Selbst der Kunstmuffel kann damit eine gewisse Bildung zur Schau stellen. Oder umgekehrt: Gilt, wer nicht einmal die „Mona Lisa“ kennt, nicht als total ignorant und ungebildet?


Die Geburt der Venus von Sandro Botticelli (Bild: public domain)

Skizzen und Blaupausen

Bilder können komplexe Ideen wesentlich besser wiedergeben als selbst die detaillierteste Beschreibung.

Stellen Sie sich vor, ein Haus müsste ohne einen Plan, den ein Architekt gezeichnet hat, gebaut werden. Selbst, wenn alle Längen, Höhen, Breiten und Abstände auf einer Liste stünden, wäre es nahezu unmöglich, Zusammenhänge zu erkennen. Dasselbe gilt – vielleicht in noch stärkerem Masse – für den Bau eines Motors oder einer anderen Maschine.

Vor ein paar Jahren war ich in Ostia Antica, der Ausgrabungsstätte des antiken Roms. Unter anderem gibt es dort viele sehr detaillierte Mosaike. Einige davon schienen mir weniger aufwendig gearbeitet zu sein, weshalb ich mir die Beschreibung genauer ansah. Diese belehrte den Besucher, dass es sich bei diesen Mosaiken nicht um Dekoration, sondern um Skizzen handele, die dem Herrscher Pläne für Schlachten und Strategien vorstellen sollten.

Wer ein ganzes Mosaik erarbeitet, statt eine Beschreibung zu verfassen, muss von der Macht der Bilder überzeugt sein.

Ich halte diese Mosaike als antike Version der Infografik.


Skizzen helfen, Zusammenhänge zu erkennen. (Bild: © Alchena – shutterstock.com)

Blickfang

Wie das Wort schon sagt, halten Bilder unseren Blick gefangen. Egal, wo wir hinschauen, wir sehen überall Bilder. Plakate, Leuchtreklamen, Verkehrsschilder, Bildschirme, Anzeigetafeln etc.

Ich glaube, Bilder verkörpern den Zeitgeist sehr deutlich. So wurde Coca-Cola um 1890 noch als „Brain Tonic“ angepriesen; vermutlich, weil es Kokain enthielt und anfangs nur in Apotheken erhältlich war. Mittlerweile ist das Kokain daraus verschwunden und wir vertreten die Ansicht, dass so viel Zucker ungesund sei. Die rosa-lastigen Darstellungen pausbäckiger junger Damen sind entsprechend den sportlich-knackigen Teenagern auf Surfbrettern gewichen.

Wenn wir heute im Marketing Bilder benutzen, passen wir Inhalt und Stil mehr oder weniger bewusst dem Inhalt und dem Image an, das wir haben wollen.


Plakate und Reklamen prägen das moderne Stadtbild. (Bild: New York Times Square – © Alexey Malashkevich – shutterstock.com)

Selfies

Selfies gelten als der Trend, seit wir alle Besitzer von Smartphones sind. Vielleicht sind sie weniger ein Zeichen der Eitelkeit als der Versuch, den Augenblick in einer schnelllebigen Zeit festzuhalten.

Zwar war es noch nie so einfach, Selfies herzustellen, aber neu ist diese Idee definitiv nicht. Es gibt Fotografien, die um 1900 mit Hilfe einer für damalige Verhältnisse neuen Kamera und einem Spiegel hergestellt worden sind.

Maler haben schon vor Hunderten von Jahren begonnen, Selbstbildnisse zu schaffen. Da ich mir kaum vorstellen kann, dass diese (zumeist) Herren sich selbst als das Motiv, welches sich am besten verkaufen liess, begriffen hatten, muss die Motivation dafür dieselbe gewesen sein, wie sie es für moderne Selfies ist. Der Maler Vincent van Gogh hat uns 37 seiner Konterfeis hinterlassen.


Selfies sind im Smartphone-Zeitalter der Renner. (Bild: Monkey Business Images – shutterstock.com)

Warum funktionieren Bilder immer noch?

Fassen wir zusammen.

Berühmte Gemälde dürfen wir als Marketing-Instrumente ansehen; ähnlich wie berühmte Modemarken so genannte Flagship-Stores unterhalten oder ein Autohersteller mit dem beliebtesten Modell wirbt.

Skizzen und Pläne sind eine Art von Infografiken, die momentan im Marketing stark im Trend liegen.

Den Blickfang brauchen wir alle, denn wir wollen – nein, müssen – aus der Masse hervorstechen. Wäre das nicht so, könnten wir statt eines Plakates oder einer aufwendigen Website einfach einen Zweizeiler verschicken.

Obwohl die Zahlen variieren, ist statistisch eindeutig nachgewiesen, dass Artikel mit Bildern ungleich viel mehr Leser anziehen und um ein Mehrfaches häufiger auf den sozialen Medien geteilt werden.

Meiner Meinung nach liegt der eigentliche Grund, dass wir auf Bilder so stark reagieren, in unserer Physiologie.



Bilder und Farben haben eine unmittelbare Wirkung auf unser Unterbewusstsein. Das Auge ist nämlich von allen Sinnen der schnellste; sprich es kann am meisten Daten gleichzeitig aufnehmen. Unser Unterbewusstsein hat mit fast 11 Millionen Bits pro Sekunde fast unendliche Kapazität, von der wir nichts merken und von denen das bewusste Denken nur ca. 40 Bits mitkriegt (Quelle: Scheier, Held „Wie Werbung wirkt“ 2010).

Wenn diese Statistik korrekt ist, wird unser Unterbewusstsein – das ja immer aktiv ist – durch Farben und Formen am stärksten beeinflusst und die Bilder gewinnen jeden Wettbewerb.

 

Oberstes Bild: © g-stockstudio – shutterstock.com