Mozilla verlängert seinen Vertrag mit Google nicht - neue Impulse für Datenschutz in den USA?

2004 schlossen Mozilla und Google einen Zehnjahresvertrag über eine Zusammenarbeit. 2014 stand die Verlängerung an, die Mozilla für eine Neubewertung und – so liest sich die offizielle Bekanntmachung – eine Rückbesinnung auf die eigenen, nichtkommerziellen Wurzeln nutzte.

„Mit Firefox haben wir die Idee einer Suchmaschine im Browser populär gemacht“, leitet Mozillas CEO Chris Beard die Bekanntmachung im eigenen Blog ein. Zehn Jahre war Google die Standardsuchmaschine in Mozillas Browser Firefox. Jetzt ist der Kooperationsvertrag ausgelaufen und wurde nicht verlängert.

Paradigmenwechsel: Kein weltweiter Standard mehr

Beards Erklärung liest sich wie eine Erneuerung des Bekenntnis zur Unabhängigkeit, der Besinnung auf den nichtkommerziellen Charakter des Unternehmens und einem neuen Umgang mit dem Thema Datenschutz. „Als wir damals eine Standardsuchmaschine etablierten, haben wir die Bedingungen der Wirtschaft abgelehnt, die nach Exklusivität verlangten und brachen so mit dem industriellen Standard“, erklärt Beards. „Wir haben die gesamten vergangenen zehn Jahre immer vorinstallierte Alternativen angeboten und einfache Wege, damit der Nutzer Suchmaschinen ändern, hinzufügen oder entfernen kann.“

Um diesen Charakter zu unterstreichen, setzt Mozilla nicht mehr auf eine einzige, weltweite Standardsuchmaschine: In den USA wurde ein 5-Jahres Vertrag mit Yahoo geschlossen, in Russland wird der Marktführer Yandex die erste Wahl sein und im Land der Mitte bleibt es bei Baidu. In Europa wird zunächst alles beim alten bleiben.

Veränderung und Kurswechsel auch bei Yahoo

Mit dem für Dezember geplanten Suchmaschinenwechsel soll es, parallel dazu, auch ein spürbares Update der Yahoo-Suchmaschine geben. Neben einer überarbeiteten und aufgeräumten Nutzeroberfläche will Yahoo auch das DoNotTrack (DNT) Protokoll unterstützen. Dahinter verbirgt sich ein kurzes Stück HTML-Code, mit dem ein Webbrowser bei der Kommunikation mit einer Website mitteilt, ob ein Nutzer das Aufzeichnen seiner Aktivitäten wünscht oder nicht. Mittlerweile unterstützen alle grossen Browser (Firefox, Internetexplorer, Safari, Chrome u.a.) diese Funktion, allerdings müssen Websites ausserhalb der EU den übermittelten Nutzer-Wunsch nicht unbedingt respektieren.


Ab Dezember die neue Standardsuchmaschine für Mozillas Firefox in den USA – dann mit neuer Oberfläche (Bild: Screenshot).

Vor allem Werbeunternehmen haben kein Interesse daran, durch eine eventuell deutliche Minderung der Tracking-Datenbasis ihre Fähigkeit für zielgerichtete Werbung zu schmälern. In den USA werden sie auch nicht dazu angehalten – weder gesetzlich, noch durch eine Art Branchen –, sodass Yahoos Einwilligung zum DNT Protokoll eine gewisse Überraschung darstellt. Vor allem auch deshalb, weil man sich erst im Mai deutlich davon losgesagt hatte. In der damaligen Erklärung hiess es, dass man zwar als eines der ersten Unternehmen DNT umgesetzt habe, aber sich nun ein einheitlicher Standard abzeichne, der effizient, leicht zu handhaben und von einem relativ breiten Teil der Technikbranche übernommen worden sei. Wie sich die Yahoo-Mitteilung liest, ist mit dem sich durchsetzenden Standard die automatische Aufzeichnung von Nutzerprofilen gemeint. Diese Einschätzung von Yahoo ist sicherlich für die USA stimmig. Einer Zusammenstellung der Arbeitsgemeinschaft donottrack.us zufolge setzen zur Zeit lediglich 21 Unternehmen das DNT Protokoll um. Entsprechend der aktuellen Meldung von Yahoo, müsste Anfang Dezember das 22. Mitglied (wieder) dazu kommen.

Erste Auswirkungen der Kooperation

Direkte und spektakuläre Auswirkungen zeigte die Bekanntmachung vom 19. November noch nicht – weder stürzte die Google-Aktie ab noch erklomm das Yahoo-Börsenpapier unerwartete Höhen, und auch die Liste mit DNT-konformen Unternehmen weist genau so viele Mitglieder auf wie vor gut 6 Monaten. Ein Grund dafür könnte eine gewisse Absehbarkeit der Geschehnisse sein.

Für einige Zeit schon hätten sich die bisherigen Vertragspartner gegenseitig Konkurrenz geboten, heisst es auf dem Blog der New York Times. Googles eigenes Browserangebot Chrome hat in den USA bereits einen deutlich höheren Marktanteil als Mozillas Firefox und auf der anderen Seite ist Mozilla bestrebt, ein eigenes mobiles Betriebssystem am Markt zu etablieren, was eine Konkurrenz für Googles Android darstellt. Auch strategisch waren die Weichen unterschiedlich eingestellt, da Mozilla sich durch das Respektieren von Datenschutzrichtlinien und der Privatsphäre seiner Nutzer von der Konkurrenz abheben wollte – für viele ein ausschlaggebender Punkt. Eine Strategie, die Google aus wirtschaftlichen Gründen vermutlich gar nicht mitgehen kann und sicherlich auch nicht will.

Mozilla ist aber nicht in gleichem Masse an wirtschaftliche Gegebenheiten gebunden, was Chris Beard in seiner Erklärung auch hervorhob, und konnte durch das Kooperationsangebot offenbar auch Yahoo wieder für einen datenschutzzentrierten Kurs gewinnen. Auch wenn es kurzfristig noch keine deutlichen Auswirkungen gibt, kann man als Datenschützer die Hoffnung hegen, dass Mozilla eine treibende Kraft wird, die als nichtkommerzielles Unternehmen auch visionsgeleitete Entscheidungen treffen kann – und in diesem Fall auch getroffen hat.

 

Oberstes Bild: © Natalia Merzlyakova – Fotolia.com

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Diplomphysiker im technischen Vertrieb mit Leidenschaft für's Schreiben.
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