Diskussion über Soziale Plattformen: Facebooks Instant Articles kann die Medienlandschaft umkrempeln

Facebook verdient etwa 93 Prozent seines Umsatzes mit Werbung. Die Einnahmen könnten vermutlich noch gesteigert werden, wenn die Nutzer auch hochwertigen Content direkt auf Facebook konsumieren. Bisher waren sie nach einen Klick auf den Artikellink verschwunden – mit Instant Articles soll sich das ändern.

Content-Anbieter können mit dieser Funktion direkt auf Facebook publizieren, sodass Leser nicht mehr auf die Webseite des Anbieters wechseln. Sollte Johnny Haeusler am Ende also doch Recht behalten?

Neun grosse Medienhäuser konnte die soziale Plattform bereits für ein Pilotprojekt gewinnen, darunter die New York Times, The Guardian sowie die beiden deutschsprachigen Vertreter Bildzeitung und Spiegel. Entscheidend für die Zusammenarbeit ist die Möglichkeit zur Individualisierung eines Artikels – damit bleibt ein Artikel z.B. von National Geographics unverkennbar ein Artikel von National Geographics.

Trotzdem bleibt es ein Wechsel unter ein fremdes Dach. Und wenn so einflussreiche Verlage mit Facebook kooperieren, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Medienlandschaft. Zu Beginn wird man sicherlich Inhalte nicht exklusiv auf Facebook veröffentlichen, sondern auch auf eigenen Portalen. Vermutlich wird man Facebook-Inhalte zunächst als gute Möglichkeit für extra Reichweite ansehen, während das Hauptgeschäft klar durch die Besucher der eigenen Plattformen generiert wird. Sollten aber direkt auf Facebook publizierte Inhalte auch dort die meisten Klickzahlen erhalten, ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass einige Verlage den Aufwand für ihre eigene Webseite herunterfahren werden.

Was hat das mit Johnny Haeusler zu tun? Und wer ist das denn eigentlich?

Damit kommen wir der Vision des Verlagsgründers und Bloggers Johnny Haeusler deutlich näher, als wir es in einem vorherigen Beitrag jemals für möglich gehalten hätten. Bereits bevor die Neuigkeiten über Facebooks Bestrebungen publik wurden, sprach er von der baldigen und vollständigen Auslagerung der Verlags-Webseiten auf soziale Plattformen. Nach den jüngsten Diskussionen um die organische Reichweite hielten wir diese Möglichkeit für unwahrscheinlicher denn je. Wer organische Reichweite nach eigenem Gutdünken reduziert, ist sicherlich kein vertrauenswürdiger Host für den eigenen Content, daher sei an eine derartige Zusammenarbeit der Verlage mit sozialen Plattformen – vor allem Facebook – nicht zu denken. Nun gibt es eine. Und bei den Namen der Kooperationspartner kann das der Anfang einer deutlichen Umwälzung der Medienlandschaft sein.


Wird Facebook zum Marionettenspieler der Verlage? Die erfolgreiche Akquise von grossen Medienhäusern für Instant Articles schürt Befürchtungen. (Bild: © Sergey Nivens – Shutterstock.com)

Wenn sich das Modell durchsetzen sollte und Informationen im Wesentlichen auf einigen wenigen sozialen Plattformen ausgespielt werden, haben diese Plattformen eine Informationshoheit. Sie werden zum Gatekeeper und übernehmen damit eine zur Zeit vakante Position, die bis ca. Ende der 90er Jahre die Zeitungen innehatten. Damit erhalten die entsprechenden sozialen Plattformen, neben ihrer Eigenschaft als Reichweitenlieferant, zusätzlich eine hohe Kontrolle über die Inhalte und sicherlich auch Zugang zu den Tracking-Daten der Verlage.

Nur ein attraktives Angebot oder doch ein Monopolbildungsversuch?

„Dass Publisher ihre Reichweite durch die Bereitstellung von Artikeln in den Instant Articles erhöhen können, benachteiligt die Medienhäuser in ihrer Unabhängigkeit“, schreibt die Online-Marketerin Tina Bauer. Gleichzeitig setze es sie aber auch unter Zugzwang, wenn es um den Kampf um Traffic gehe – schliesslich könnte ein Konkurrent ja vom Instant-Articles-Angebot Gebrauch machen und sich einen Vorteil sichern. „Viele Verlage hadern daher zu Recht mit der Entscheidung, einen Pakt mit Facebook einzugehen und dem Zuckerberg-Netzwerk die Fäden (oder: Reichweite) in die Hand zu geben“, fasst Bauer die Reaktionen auf die jüngsten Ereignisse zusammen.

Und sie ist nicht die Einzige. In einem Kurzbeitrag des Wallstreet Journals zum Start von Instant Articles thematisierten Moderatorin Tanya Rivero und Amol Sharma, Chefredakteur für Medien und Marketing, den Kontrollverlust der Verlage über ihre Leserschaft, die mit einer solchen Kooperation einhergeht.



Darüber hinaus sei noch unklar, inwieweit Facebook die nötigen Tracking-Informationen zur Erfolgsbewertung auch an die Verlage weitergibt, und letztlich seien Facebooks Konditionen für den Verkauf von Werbung beinahe zu gut, um glaubhaft zu erscheinen: Schaltet ein Verlag seine Anzeigen selbst im Rahmen des Instant-Articles-Programms, könne er den gesamten Erlös behalten. Bei Nutzung des Facebook-Netzwerks zur Anzeigenschaltung fielen vergleichsweise moderate 30 Prozent Umsatzbeteiligung an. Eventuell sei es ein Lockangebot, um später aus einer starken Position heraus den Preis nach oben zu verlagern – wobei das nur Spekulation sei. Anzeichen dafür gebe es keine.

 

Oberstes Bild: © Mihai Simonia – Shutterstock.com