Ihr lest ja ganz anders! Betrachtungsmuster mobiler Inhalte

Der mobile Kanal ist so wichtig geworden, dass Google den Aspekt „mobil-freundlich“ als Kriterium für die Seitenbewertung in seinen Algorithmus aufgenommen hat. Ist eine Seite nicht mobil optimiert, wird sie jetzt, nach dem besagten Google-Update Ende April, vermutlich weiter unten in den Ergebnislisten angezeigt.

Die starke Nutzung von Smartphones und die Entwicklung immer neuer mobiler Angebote haben aber nicht nur für Veränderungen am Google-Suchalgorithmus gesorgt. Mobile Leser nehmen die Inhalte von Artikeln anders auf, als sie es über den Desktop-PC taten – und das ruft die Content-Marketer und Content-Writer auf den Plan, wie Sie in diesem Artikel nachlesen können.

Web-Inhalte werden nach dem F-Pattern betrachtet

Die Autorin und Dozentin an der University of California, San Diego (UCSD), Erin Brenner, wurde im Anschluss an eine Präsentation zum Thema mobil-optimiertes Webdesign gefragt, ob das für Web gültige F-Pattern auch für mobile Geräte gültig sei. Hinter dem F-Pattern verbirgt sich ein charakteristisches Betrachtungsmuster, nach dem die meisten Personen den Inhalt einer Webseite konsumieren: Der Blick richtet sich zuerst nach oben links, wandert dann in der Zeile nach rechts, springt ein gutes Stück nach unten und beginnt dort wieder von links nach rechts zu wandern. Die Form erinnert an ein F, sodass sich der Name F-Pattern etabliert hat.

Viele klassische Desktop-Webdesigns sind auf Basis dieser Erkenntnis konzipiert worden, die insbesondere von Eye-Tracking Studien durch Jakob Nielsen im Jahr 2006 gewonnen wurden. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass Webdesigner wissen möchten, ob auch mobile Inhalte nach diesem Muster betrachtet werden.

Zwei erwähnenswerte Eye-Tracking Studien

Auf der Suche nach einer Antwort stiess Erin Brenner auf zwei Studien, die sie als erwähnenswert ansieht – wobei diese Studien die Frage nach der Gültigkeit des F-Patterns nur ansatzweise beantworten können.

Die erste Studie wurde von der Universität Trier bereits im Jahr 2010 in Zusammenarbeit mit SensoMotric Instruments durchgeführt. Dabei wurden 14 Probanden mittels Eye-Tracking-Verfahren untersucht, um aus deren Augenbewegungen beim Ansehen einer Webseite über das Smartphone ein Leseverhalten (kein Betrachtungsmuster) abzuleiten.

Die erhobenen Daten halfen den Forschern dabei, „drei verschiedene Typen von Nutzern identifizieren zu können: den Leser, den Abrasterer und den Navigator“. Konkret bedeutet diese Aussage, dass nur 5 Prozent der Probanden die über Smartphone konsumierten Text wirklich durchlasen, 37 Prozent anhand der Überschriften durch den Text navigierten und 58 Prozent einen Text oberflächlich abrasterten.

Auch wenn anhand dieser Studie die Frage nach der Gültigkeit des F-Patterns nicht beantwortet werden kann, sollte man sie als Content-Writer doch im Kopf behalten, denn offensichtlich gibt es drei Typen von mobilen Lesern, die ein (Online-)Content-Writer erreichen muss.

Drei verschiedene Typen von mobilen Lesern bedienen

Die Navigatoren können durch wohl gewählte Überschriften angesprochen werden – praktische Tipps dazu finden Sie in diesem Beitrag.

Die 5 Prozent der tatsächlichen Text-Leser müssen nicht besonders „gelockt“ werden, da Sie einen Beitrag ohnehin geduldig von Anfang an im Detail durchlesen. Wenn das Thema stimmt und die Informationen relevant sind, hat man ihre Aufmerksamkeit.

Was den überwiegenden Anteil der Probanden angeht, die Text-Rasterer, gibt diese Studie keine weiteren Hinweise – wohl aber die zweite Studie, die Erin Brenner erwähnt. Hierbei handelt es sich um eine Untersuchung der Forscherin Aurora Bedford von der Nielsen Norman Group – dasselbe Beratungsunternehmen, das vom «Entdecker» des F-Patterns Jakob Nielsen gegründet wurde. Aurora Bedford wollte mit der Untersuchung die Frage beantworten, welches Navigationsmenü für das mobile Webdesign geeigneter wäre: Ein Bild-Raster-Menü oder eine einfache Textliste.


Bild-Raster-Menü mit Bildunterschriften benötigen viel Platz. Auf Smartphone-Displays können nicht alle Informationen auf einmal abgebildet werden (Bild: Screenshot business24.ch Webseite)

Bedford spricht sich für Textlisten aus, da sie weniger Platz benötigen als ein Rastermenü aus einzelnen Bildern und es leichter falle, einem Leser alle verfügbaren Informationen auf einen Blick zu präsentieren. Bei einem Bild-Raster-Menü müsse man in der Regel auf mobilen Endgeräten viel scrollen, was zum einen für die ungeduldigen mobilen Nutzer schnell ermüdend sei und zum anderen dem Grundprinzip der Menü-Konzeption widerspreche, das besagt, dass einem Nutzer durch die Menüführung möglichst wenig Gedächtnisleistung abgefragt werden sollte (recognition instead of recall).

Das Navigationsmenü auf der mobil optimierten Seite contentmarketing.ch ist als Textliste gehalten – alle verfügbaren Haupt-Kategorien sind auf einen Blick verfügbar (Bild: Smartphone-Screenshot, contentmarketing.ch)

In diesem Zusammenhang weist Bedford aber auch auf die Stärke von Bildern hin. Sie könnten einem Leser einen sehr guten Eindruck vom Angebot (z.B. einem Produkt oder einer Themenrubrik) liefern, ohne dass er dazu viel Text lesen müsse. Bei minimalem Aufwand erhielte der Nutzer ein Maximum an Informationen und könne schnell entscheiden, ob das Angebot für ihn von Interesse sei.

An diesen beiden Punkten können sich Content-Writer auch beim Schreiben von Texten orientieren:

  • Ein Leser möchte gerne alle Informationen auf einen Blick erfassen können
  • Bildelemente liefern dem Leser in Sekundenschnelle einen Eindruck vom Text

Diese beiden Punkte greift Neil Patel in einem Beitrag vom Content Marketing Institut über mobil optimiertes Schreiben auf. Seiner Meinung nach gehe es nicht nur darum, das Webdesign mobil zu optimieren, sondern auch den Schreibstil der Content-Writer darauf abzustimmen. In seiner fünf-Punkte-Liste geht er unter anderem darauf ein, dass einzelne Paragraphen eines Textes so kurz gehalten werden sollten, dass Sie gut auf ein Smartphone-Display passen, damit der Leser den Gedankengang eines Paragraphen auf einen Blick vor sich habe.

Ausserdem schreibt Patel, dass „Eye-Tracking-Studien gezeigt haben, dass mobile Nutzer mehr auf Bilder als auf Text achten.“ Die Konsequenz für Content-Writer solle laut Patel die gezielte Verwendung von einigen wenigen Bilder sein, die eine Aussage des Textes unterstützen. Damit ist auch ein Weg aufgezeigt, wie man den Lesertyp Text-Rasterer adressieren kann: Über passendes Bildmaterial, das eine Kernaussage des Textes visuell unterstützt und den Rasterer mit einer gut überlegten Bildunterschrift in den Text hinein zieht. Dazu muss sie Teil des Textes sein und nicht allein das Bild beschreiben. Und wenn das Bild die Aussage des Textes nicht weiter unterstützt, „dann nutzen Sie es nicht für den mobilen Kanal“, rät Patel.

Patel ist es auch, der die Frage nach der Gültigkeit des F-Patterns direkt beantwortet: „Dieses Prinzip gilt nicht mehr für mobile Leser“, schreibt er deutlich und verweist auf eine Studie der Beratungsagentur für mobiles SEO und App-Marketing Briggsby, die auch die Anziehungskraft von Bildern auf mobile Leser untermauert. Ihr zufolge schaut ein mobiler Leser in erster Linie auf die Mitte des gezeigten Bildausschnitts.

 

Oberstes Bild: © ISchmidt – Shutterstock.com