Neues Arbeitsfeld im Fokus - Content-Marketing als Arbeitgeber für Journalisten?
VON Markus Haller Trends/Interessantes
Es ist nicht abwegig, dass viele Journalisten – sollten sie gezwungen sein sich eine neue Arbeit zu suchen – in Zukunft für die Marketingabteilungen von Wirtschaftsunternehmen tätig sein werden. Einige verdiente Vertreter des Berufsstandes denken ernsthaft über diese Option nach oder treiben sie selbst aktiv voran. In der Tat gibt es Schnittmengen zwischen Journalisten und Content-Produzenten, auch wenn eine Anstellung bei einem Wirtschaftsunternehmen dem bisherigen Selbstverständnis des klassischen Journalismus widerspricht.
In diesem Artikel zeigen wir einige dieser Schnittmengen auf, lassen den Journalist Karl Lohmeyer zu Wort kommen, der selbst durch Content-Marketing neue Stellen für seine Kollegen schaffen möchte und stellen die Frage, was bei all diesen möglichen Veränderungen aus der objektiven Berichterstattung werden mag.
Der Journalismus steckt in einer Krise: Grosse Verlagshäuser haben bereits betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen und arbeiten an einer Neuausrichtung ihrer Arbeitsweise und ihres Angebots. Wohin entwickelt sich nun dieser Berufszweig?
Annäherung von Journalismus und Content-Produktion
Vor einigen Jahren hätten sich Journalisten vermutlich nur in sehr geringem Masse mit Content-Produzenten identifiziert. Zu gross sind die Unterschiede zwischen der objektiven Berichterstattung und der Textproduktion auf Auftrag, hinter dem am Ende eine Gewinnerzielungsabsicht steht. Heute gibt es diese Unterschiede noch genau so, aber es deutet sich mehr und mehr ein Umdenken an, das durch die aktuelle Krise vieler Verlage angestossen wurde.
Hält die Krise weiter an – die sicher nicht zuletzt mit der Erwartungshaltung von Kosumenten zusammenhängt, online-Inhalte seien kostenfrei zur Verfügung zu stellen – wird die jetzige und auch die zukünftige Journalistengeneration gezwungen sein, sich nach Einnahmequellen ausserhalb der Verlage und Zeitungen umzuschauen. Gleichzeitig vollzieht sich der Paradigmenwechsel im Marketing von Push- zu Pull-Strategie im Allgemeinen und das Aufkommen des Content-Marketings im Speziellen. Diese Entwicklung sorgt bei den Marketingabteilungen zahlreicher Wirtschaftsunternehmen für einen Bedarf an guten Schreibern. Warum sollten Unternehmen also nicht die bereitstehenden und erfahrenen Journalisten einstellen? Und warum sollten die Journalisten das Angebot aus der Wirtschaft nicht annehmen?
„Ja, jetzt höre ich sie wieder, die Einwände, das sei doch kein Journalismus, wenn man Content Marketing betreibe. Und wenn man Journalismus allein als investigativ und in seiner klassischen Überwachungsfunktion betrachtet, mag das auch stimmen“, schreibt der Journalist Karsten Lohmeyer, den wir einem vorherigen Artikel bereits kurz zu Wort kommen liessen. „Doch guter Journalismus ist mehr“, erklärt Lohmeyer weiter: “Er ist ein Handwerk, das unter anderem auch Unterhaltung, Information und Nutzwert bieten kann.“
Hinzu kommt eine weitere Entwicklung im Content-Marketing, die zur Verkleinerung der Lücke zwischen investigativem Journalismus und Auftrags-Produktion beiträgt: Authentizität wird mehr und mehr als wichtiger Faktor für gutes Content-Marketing angesehen. Einige Unternehmen haben bereits gezeigt, dass sie willens sind, dieser Forderung nachzukommen, indem sie sich aus der Content-Produktion heraushalten. Ulf-Hendrik Schrader zufolge, Redakteur beim Technikportal t3n und Teilnehmer der diesjährigen Content-Marketing-Conference, erklärte z.B. die Siemens AG, dass sie zur Content-Produktion mit erfolgreichen Dokumentarfilmern zusammenarbeite und sich „über das initiale Briefing hinaus“ nicht weiter in die Produktion einmische.
Auch Karsten Lohmeyer zeigt sich optimistisch, dass der klassische Journalismus durchaus Schnittmengen mit dem Corporate-Publishing besitzt und erklärt: „Wir bei The Digitale [Content-Marketing Dienstleister der Telekom, anm. d. red.] jedenfalls werden die journalistische Freude am Geschichtenerzählen (manche nennen es Storytelling) ebenso pflegen, wie den guten Nutzwertjournalismus. Nur eben nicht als Verlag, sondern im Auftrag eines Unternehmens.“
Was wird aus der objektiven Berichterstattung?
Für Journalisten stellt die Content-Produktion einen möglichen neuen Arbeitgeber dar. Da Content-Produzenten den investigativen Journalismus natürlich nicht ersetzen können, stellt sich eine Folgefrage: Wenn nun viele Journalisten in Richtung Content-Marketing abwandern sollten, wer bleibt auf Dauer noch übrig, um eine möglichst objektive Berichterstattung anzustreben? Wie wird bzw. kann sich der einzelne Bürger in Zukunft über wichtige Geschehnisse in der Welt informieren?
Das Problem bestünde sicher nicht im fehlenden Informationsangebot, sondern vielmehr im Fehlen des objektiven Filters vor einem Informations-Überangebot, der Falschmeldungen und unbestätigte Gerüchte vom Konsumenten fernhält, Unwichtiges von Wichtigem trennt und die wertvollen Inhalte in sinnvolle Kategorien ordnet. Aufgrund der steigenden Informationsflut besteht hier echter Bedarf bei den Bürgern, den Tageszeitungen gut ausfüllen können.
Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Bereits im Sommer 2002 führten Claudia Mast, Professorin für Kommunikationswissenschaften und Klaus Spachmann, Dr. der Kommunikationswissenschaften, eine Umfrage zur Zukunft des Journalismus unter 135 Chefredakteuren deutscher Tageszeitungen durch. Als Erkenntnis hielten sie u.a. fest, dass sich nach Einschätzung der Chefredakteure, das publizistische Profil der Zeitungen „weniger an der Ereignisberichterstattung orientieren, sondern vielmehr die Konsequenzen der Entwicklungen für den Leser erklären“ solle. Damit verschiebe sich die „Positionierung der Tageszeitungen von der «Chronistenpflicht» («Spiegel der Ereignisse») hin zum Ratgeber, Interpreten und Navigator in einem überbordenden Informationsangebot.“
Neu sind heute aber die technischen Möglichkeiten, wie Tageszeitungen die angestrebte Informations-Filterfunktion wahrnehmen können. Eine Option wären sicherlich Newsletter oder Newsfeeds, in denen sich Leser selbst die Themengebiete zusammenstellen können, über die sie auf dem Laufenden gehalten werden möchten. Das Alleinstellungsmerkaml solcher Newsletter kann eine besonders hohe Informationsqualität oder ein für die Zielgruppe gut geeignetes Informationsformat sein. Ist das Angebot überzeugend, kann es auch gegen eine gewisse Gebühr angeboten werden – Qualität setzt sich nicht selten am Ende doch durch.
Quellen: Krise der Zeitungen: Wohin steuert der Journalismus? Universität Hohenheim, 2003
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