Wie beeinflusssen soziale Plattformen die Kaufentscheidung?
VON Markus Haller Soziale Plattformen
Vor einigen Jahren war Facebook noch eine rein soziale Plattform, auf der vor allem Jugendliche ihren Alltag festhielten. Die damals noch berechtigte Frage, ob eine Firmenpräsenz in einer Freizeit- und Plauderumgebung überhaupt angemessen sei, ist mittlerweile einem „Wie“ gewichen.
Viele Marketer fragen sich, wie sich Social Media auf die Kaufentscheidung auswirkt – dazu betrachten wir in diesem Artikel vier Statistiken für eine Bestandsaufnahme.
Noch nie war es so einfach, mit einer breiten Zielgruppe in einen aktiven Dialog zu treten und eine eigene Fangemeinde aufzubauen, um die eigene Marke weiter zu stärken oder überhaupt erst zu etablieren. Heute nutzen zahlreiche seriöse Unternehmen eine Facebookseite zur Unternehmenskommunikation und zum aktiven Austausch mit Interessenten und Kunden. Um einige Beispiele zu nennen: Nestlé (ca. 7 Mio. Follower), Glencore (ca. 4500), Novartis (ca. 82000) und die NZZ (ca. 61000).
Spätestens mit dem Eintritt solcher Big Player ist Social Media mit dem Image eines Wirtschaftsunternehmens problemlos vereinbar. Die logisch Folgefrage ist nun, ob sich eine Präsenz auch lohnt. Vor allem interessiert Marketer natürlich das Potential sozialer Medien zur Beeinflussung der Kaufentscheidung. Entsprechend wurden Studien und Berichterstattungen zu diesem Thema geliefert – mit teils gegenteilig gefärbten Aussagen wie „Studie: Social Media beeinflusst Kaufentscheidungen nur gering“ gegenüber „Studie: Social Media beeinflusst Kaufentscheidungen mehr als TV und Radio.“
Erst Fan, dann Käufer
Wir wollen eine grobe Bestandsaufnahme anhand einiger Statistiken und Berichte vornehmen. Passend zur neuen Mozilla Standardsuchmaschine, entstammt die Auswahl aus den ersten zehn Ergebnissen von Yahoo (Suchwort „Twitter beeinflusst Kaufentscheidung“).
Eine Online-Studie mit ca. 1500 Teilnehmern des namhaften Marktforschungsunternehmens Chadwick Martin Bailey aus dem Jahre 2010 wird als repräsentativ für die USA angesehen. Der Studie zufolge gaben 51 Prozent der Facebook-Fans einer Marke an, dass sie nun – nachdem sie Fan geworden sind – wahrscheinlicher bei dieser Marke kaufen würden. Bei 60 Prozent stieg nach dem „Fanbeitritt“ auch die Bereitschaft zum Weiterempfehlen dieser Marke. Twitter-Follower wurden ebenfalls befragt: 67 Prozent würden eher bei einer Marke kaufen und 79 Prozent sie verstärkt weiter empfehlen.
Auf der anderen Seite gaben viele der Befragten an, dass sie das Fehlen einer entsprechenden Präsenz ebenfalls zur Kenntnis nehmen würden. Vor allem in punkto Marketing und Kundenbindung positionierten sich die „Social Media Verweigerer“ als out-to-date oder kommunikationsscheu.
Die Botschaft an Unternehmen muss an dieser Stelle sein, der Social Media Community einen guten Dialog und vor allem möglichst direkte Wege zum Kauf anzubieten. Akquisebemühungen machen hier viel Sinn; ein Newsletter-Abo über die Facebookseite wäre ein Schritt in diese Richtung.
Unbewusste Wirkung – mit deutlichem Ergebnis!
Social Media hat auch einen unbewussten Einfluss auf die Kaufentscheidung. Wie der Verkaufsexperte Martin Limbeck beschrieben hat, spielen beim Kauf immer unterbewusste Prozesse eine grosse Rolle und Anbieter sollten sich dessen unbedingt bewusst sein. Eine Studie der University of Miami School of Business Administration, Empirica Research und StyleCaster Media Group aus dem Jahr 2012 machte dieses etwas erstaunliche Ergebnis sehr deutlich: „… allein die Anwesenheit von Social Media Symbolen auf einer Webseite, auf der wir Einkaufen, erzeugt in uns ein Gefühl, als ob unser Einkauf vom sozialen Netzwerk beobachtet würde und wir passen unsere Kaufentscheidung entsprechend an“, erklärt Claudia Townsend, Assistenzprofessorin der University of Miami School of Business Administration.
Konkret untersuchte man das Online-Kaufverhalten anhand von 200 Probanden. Es wurden positiv und negativ konnotierten Produkte angeboten, einmal mit und einmal ohne Social-Media-Symbole. Eher peinliche Produkte (z.B. Aknemittel) verkauften sich bei Anwesenheit des Symbols um 25 Prozent weniger. Entsprechend fiel das Ergebnis bei den eher rühmlichen Produkten aus. Bei Anwesenheit des Symbols kauften 25 Prozent mehr Probanden das Produkt.
Bei einem so deutlichen Ergebnis sollten vor allem kleinere Anbieter von Prestigeobjekten reagieren und die Social-Media-Symbole gut sichtbar in ihren Webshops platzieren. Anbieter von eher privaten und vielleicht blamierenden Produkten fahren besser, wenn sie diese Symbole gerade nicht mit dem Kaufprozess verknüpfen.
Alles ein grosser Hype?
Vor diesem Hintergrund verliert eine Studie des rennomierten Marktforschungsinstituts Gallup aus den USA, die Anfang 2013 für Aufsehen sorgte, etwas an Schlagkraft. 20.000 Erwachsenen über 18 Jahren wurde die Frage gestellt, wie gross der Einfluss von Social Media auf ihre Kaufentscheidung sei. Nur 5 Prozent gaben einen grossen und 30 Prozent einen gewissen Einfluss an; 3 Prozent wussten es nicht und 62 Prozent sahen sich in keiner Weise beeinflusst.
Innerhalb der Altersstrukturen der Befragten variiert diese Zahl noch etwas – insgesamt 50 Prozent (davon 7 Prozent gross) der Millenials und 41 Prozent (7 Prozent) der Generation X gaben einen Einflussfaktor an. Bei den Baby Boomern fällt diese Zahl bereits auf 30 Prozent (4 Prozent) und bei den Traditionalisten auf 19 (3 Prozent).
Gallup zufolge liege die Ursache darin, dass die Erwartungshaltung der Befragten gegenüber sozialen Netzwerken vor allem im Bereich Kommunikation liege und eben nicht im Kommerz. Das dieses Gesetz nicht allgemein gilt, zeigt immer wieder das chinesische Startup Xiaomi – allerdings gelten deren Verkaufserfolge direkt über die sozialen Plattformen speziell für China.
Was in den USA als eher schwaches Abschneiden bei der Kaufbeeinflussung gewertet wird, ist in Deutschland ein starkes Ergebnis. Im Zuge der Aufstellung eines „Social Media Index“ habe Forscher der Universität Münster zusammen mit der Unternehmungsberatung Roland Berger ermittelt, wie häufig Social Media Kaufentscheidungen beeinflusst. Sie kamen auf einen Wert von 22 Prozent – und damit mehr als Fernsehen und Radio (16 Prozent). Der Deutschen Handwerkszeitung zufolge fliessen allerdings noch 82 Prozent der Werbeausgaben in die klassischen Kanäle.
Quellen: Deutsche Handwerkzeitung; Digitalstrategie.com; blog.cmbinfo.com; gallup.com
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