Interview: Russischer Online-Markt, ein Riese mit Riesen-Potential? Teil 2

Nachdem Vitaliy Malykin uns im ersten Teil des Interviews eine allgemeinen Einschätzung zur Entwicklung des russischen Online-Marktes gab, gehen wir nun zu konkreten Überlegungen für ein Marketing-Engagement über. Ist Russland bald ein gefragtes Ziel für Online-Marketer aus Europa? Wie hoch wäre der initiale Aufwand für entsprechende Marketing-Massnahmen? Und lohnt sich ein Engagement auch für kleine Firmen?

Hier gibt uns der Experte zahlreiche praxisbezogene Antworten auf diese Fragen. Lesen Sie jetzt Teil zwei des Interviews!

Herr Malykin, grosse Unternehmen, wie z.B. die FC Bayern München AG, richten ihre Online-Marketingstrategien bereits seit längerer Zeit auf Russland aus. Halten Sie dies für einen Trend, dem auch die mittelständischen und kleineren Unternehmen bald folgen könnten – vielleicht sogar sollten – oder ist der Initialaufwand dafür bei kleinem Marketingbudget prinzipiell nicht stemmbar?

Ein Initialaufwand für die Markterschliessung ist sogar für kleine Unternehmen meiner Meinung nach absolut realisierbar. Ausgewählte Produkte im Online-Shop zu übersetzen und mit Google Adwords oder Yandex.Direct zu testen, kann praktisch jeder! Eine passende Strategie, professionelle Online-Werbung und Suchmaschinenoptimierung erfordern mehr Budget und die Unterstützung eines Beraters, der sich mit den hiesigen Marktgegebenheiten auskennt.

Von den grossen deutschen Unternehmen ist, soweit ich weiss, nur die Otto Group SEHR erfolgreich in Russland. Otto expandiert fortwährend und schafft Arbeitsplätze in Russland. Wussten Sie zum Beispiel, dass es „Quelle“ noch gibt? Ja, in Deutschland nicht mehr, in Russland aber schon, in seiner unveränderter Form, sprich Katalogversand.

Sonst ist vieles branchenabhängig. Wie bereits erwähnt, lassen sich manche Produktgruppen viel besser als andere in Russland verkaufen. Jedenfalls wissen Russen deutsche Qualität zu schätzen, „made in Germany“ ist in Russland nach wie vor ein Qualitätssiegel.

Wer an Russland im Bezug auf SEO und Content-Marketing denkt, kommt am kyrillischen Alphabet nicht vorbei. Muss ein professioneller Übersetzer als unablässiges Element im Budgetplan berücksichtigt werden oder kann man sich durchaus mit Englisch behaupten?

Auf keinen Fall, das wird nie funktionieren. Natürlich muss Russisch her, alles andere wird nicht ernst genommen und womöglich schlichtweg nicht verstanden. Mehr noch, nicht nur ein Übersetzer, sondern, wenn man gleich von Anfang an alles richtig machen will, noch ein Berater, der auf Unterschiede in der Wahrnehmung russischer Internetnutzer hinweisen kann und die russische Website entsprechend umzugestalten hilft.


Jedes Land hat seine Eigenheiten, die für das Online-Marketing beachtet werden müssen. (Bild: © Rawpixel – Fotolia.com).

Welche Unternehmen halten Sie für besonders geeignet, um eine russisch ausgerichtete Marketing-Strategie zu verfolgen?

Ich kann an der Stelle einige Branchen besonders hervorheben: Luxusgüter, Medizin, Kleidung, Elektrogeräte.

Nehmen wir an, eine Schweizer Firma mit vielleicht 50 Mitarbeitern, die eine Content-Marketing Strategie auf Deutsch und Englisch verfolgt, denkt über eine zusätzliche Ausrichtung auf den russischen Markt nach – würden Sie hier eher abraten oder ermutigen?

Diese Frage lässt sich nur schwer pauschal beantworten. Wie gesagt, es ist sehr fall- und branchenabhängig. An welche zusätzlichen Massnahmen denkt das Unternehmen noch? Was will das Unternehmen erreichen? Bekannter werden oder gleich (mehr) verkaufen?

Gibt es eine Art kleines Einmaleins, das man für eine Marketingstrategie in Russland beachten sollte?

Eine Strategie ist eine sehr komplexe Angelegenheit, aber eins kann ich sagen: Holen Sie jemanden mit ins Boot, der sich mit dem Land und mit typisch russischen Eigentümlichkeiten auskennt.

Können Sie uns ein Beispiel für solche Eigentümlichkeiten geben?

Es gibt ein ziemlich bekanntes Zitat von Puschkin über Russland und Europa. Es stammt aus dem Jahre 1826 und ist immer noch aktuell: „… Natürlich verachte ich mein Vaterland von Kopf bis zu den Fusszehen – aber es ist mir äusserst zuwider, wenn ein Ausländer mit mir dieses Gefühl teilt.“ Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie tatsächlich verstehen, was er damit meinte, dann sind Sie vielleicht der richtige Berater in Sachen russischer Mentalität.

Russische Internetnutzer greifen gerne auf soziale Plattformen wie VKontakte zurück. Ist eine besondere Ausrichtung auf soziale Medien aus Ihrer Erfahrung für gutes Marketing lohnenswert?

Ja, garantiert. Wie immer unter dem Vorbehalt, dass es sich für die jeweilige Branche lohnt. Natürlich würde sich das für ein Start-Up Unternehmen, beispielsweise in der Modebranche oder für einen Online-Shop, lohnen. Auf der anderen Seite würde es für ein Beratungsunternehmen wenig Sinn machen, sich über soziale Netzwerke zu bewerben. Alles eine Frage der Branche.

Wie hat die neue staatliche Suchmaschine Sputnik Ihre Arbeit beeinflusst?

Noch tut sie das überhaupt nicht, da ihr Marktanteil noch verschwindend gering ist. Wir haben ein paar Beiträge zu dem Thema veröffentlicht und warten ab, wie sich die Situation entwickelt.

Vielen Dank für das Interview!

 

Oberstes Bild: © bofotolux – Fotolia.com

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Diplomphysiker im technischen Vertrieb mit Leidenschaft für's Schreiben.
Die Themen dürfen ruhig weit gesteckt sein: Von Archäologie und Kulturanalyse über Naturwissenschaft und Technik hin zum eCommerce und Content-Marketing.

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